Agilität und Nachhaltigkeit – ein spezieller Track bei der Agile Business Conference

4.12.2021

Zwei meiner Herzensthemen vereint in einem Konferenz-Track. Also nichts wie hin zur Agile Business Conference, „dank“ Corona ganz bequem vom Home Office aus zu erreichen.

 

Um es gleich vorwegzunehmen: den goldenen Weg zu mehr Nachhaltigkeit habe ich auf der Konferenz nicht gefunden. Bei einigen Präsentationen hat sich mir nicht erschlossen, was sie mit diesen beiden Themen zu tun haben sollten. Die wertvollsten Impulse waren für mich die beiden Keynotes, die ich daher hier kurz zusammenfassen möchte.

 

Keynote von Dave Snowden

Kein geringerer als Dave Snowden, der Erfinder des Cynefin-Frameworks, hat diesen Track eröffnet. Cynefin ist ein „sense making framework“, das verschiedene Domänen unterscheidet. Für Agilisten besonders wichtig die Unterscheidung zwischen Complicated und Complex: nach Snowden ist Scrum eine Technik an der Schwelle zwischen diesen Bereichen.

 

Der Klimawandel ist ein komplexes Problem – so wie auch die Corona-Pandemie. Der Unterschied zwischen COVID und Klimawandel liegt darin, dass COVID zeitlich und physikalisch dicht an uns dran ist. Also sind die meisten von uns zähneknirschend bereit, Opfer in Kauf zu nehmen. Der Klimawandel wird immer noch als „weit weg“ wahrgenommen. Dave Snowden: „Früher habe ich mir um meine Enkel Sorgen gemacht, dann um meine Kinder – und mittlerweile um mich selbst“. Aber leider sind Menschen schlecht darin, mit zukünftigen Bedrohungen oder Chancen umzugehen. Bevor ein Komplexes Adaptives System wie die menschliche Gesellschaft nicht bereit dafür ist, können wir keine radikalen Änderungen erreichen. Alles was wir tun können, ist die nächste richtige Entscheidung zu treffen und offen zu sein für neue Entdeckungen.

 

Verhängnisvolle Klima-Ereignisse führen für die Betroffenen zu ständiger Angst, dass sie sich wiederholen könnten. Bei denen, die in sicherer Entfernung leben, führen sie zu Erstarrung, Verleugnung oder Trübsinn. „Pessimismus hat nur eine begrenzte Motivationskraft, während Hoffnung das Elixier des Handelns ist“ (S.R. Morton). Daher brauchen wir Micro-Engagements, viele kleine soziale Aktionen, die unterschiedlichen Ansätze austesten und Bindungen stärken. Diese haben einen Effekt auf das Gesamtsystem, weil alles miteinander verbunden ist. An einem Beispiel von Farmern in Neuseeland illustriert Daves Kollegin Anna, wie die Nachbarn voneinander lernen. Sie tragen ihre Erfahrungen in einer Karte auf und können so Muster erkennen, welche ihrer Aktionen einen Effekt auf das Klima haben (x-Achse: Signifikanz, y-Achse: Skalierbarkeit). Jeder der kleinen Punkte ist eine solche Erfahrung! Durch den selbstorganisierten Austausch entstehen Ideen, wie man mehr wirksame Erfahrungen erzeugen kann.

 

 

 

 

 

Patterns zum Miteinander Lernen in komplexer Umgebung

Was ich mitnehme: „Hoffnung ohne (unangebrachten) Optimismus, Trauer ohne Verzweiflung“. Wir lösen das Problem nicht auf einen Schlag. Mit verteilter Führung Mikroprobleme statt Makroprobleme in Angriff nehmen. Das funktioniert übrigens auch bei Organisationen. Wir könnten ihnen und uns viel Leid ersparen, wenn wir sie bei „agilen Transitionen“ als Ökosystem behandeln würden.

 

Keynote Dr. Joel B. Carboni: Green Project Management

Die 2. Keynote führt mich in die Welt des Projektmanagements, die ich vor einiger Zeit verlassen hatte. Und siehe da, es gibt einiges zu entdecken. Dr. Joel Carboni ist der Gründer von Green Project Management, eine globale Organisation, die sich für Nachhaltigkeit in der Projektbranche einsetzt. Als soziales Unternehmen konzentriert sie sich darauf, die Projektbranche durch prinzipien- und wertebasierte Methoden weiterzuentwickeln mit dem Ziel, nachhaltige Unternehmen voranzubringen und die Sustainable Development Goals (SDGs) bis 2030 zu verwirklichen. Sie tut dies durch Standards, Schulungen, Bewertungen und Zertifizierungen.

 

100% der Projektmanager glauben, dass ihre Profession nicht genug tut, um den Klimawandel zu bekämpfen. Da ist also Potenzial.

 

Wie sähe diese Zahl wohl bei uns Agilisten aus? Ich bin überzeugt, dass auch wir nicht genug tun.

 

Das GPM-Modell geht aus vom Triple-Bottom-Line-Ansatz (Drei-Säulen-Modell), das Unternehmen Orientierung für die eigene Nachhaltigkeit bietet. Ein nachhaltiges Unternehmen sollte diese drei Säulen (Dimensionen) gleichrangig in seiner Zielsetzung verfolgen:

 

  • Profit (Ökonomie)
  • Planet (Ökologie)
  • People (Soziales)

Aus Sicht des Projektmanagements kommen noch zwei weitere Dimensionen hinzu, die ebenfalls Einfluss auf die Nachhaltigkeit haben:

 

  • Products
  • Processes

Damit ergibt sich die P5-Ontologie, auf denen das GPM-Framework beruht. Das Projektmanagement bewegt sich also weg von dem bekannten Dreieck hin zu „Value Creation“.

 

 

 

 

 

Der P5-Standard für Nachhaltigkeit im Projektmanagement GPM® Advocates for Sustainable Project Management (greenprojectmanagement.org)

Der P5-Standard unterstützt damit die Ausrichtung der Projektaktivitäten und -ergebnissen an den Nachhaltigkeitszielen.

 

Beispiel:

 

  • SDG 8 Decent Work and Economic Growth: wird unsere Software Inhouse entwickelt? Wenn nein, wie werden die Menschen dort bezahlt, ausgebildet und behandelt?

  • SDG 13 Climate Action: wie sieht es mit dem Energieverbrauch unserer Teams aus, z.B. durch Reisen, Büromaterialien, Events?

71 % der Projektleiter gaben an, dass der P5-Standard die Nachhaltigkeit ihrer Projekte verbessert hat. Von den Projektmanagern, die den P5-Standard aktiv in ihren Projekten einsetzen, konnten 95 % einen erhöhten Nachhaltigkeitsnutzen erzielen.

 

Wären solche Checks bei der agilen Produktentwicklung nicht auch sinnvoll?

 

Joels Botschaft an uns: Projektmanagement muss sich weiterentwickeln, und die agile Community ist die am anpassungsfähigsten das zu tun, durch iteratives Vorgehen und Feature-orientierte Entwicklung. Das ist unsere Zeit!

 

Weitere Beiträge